Die beiden letzten Wochen waren für den 23- jährigen Gestratzer Jan Schulz sicherlich die spannendsten aber auch anstrengendsten in seiner bisherigen Segelflugkariere. Er nahm vom 28. Mai bis zum 10. Juni an der Deutschen Juniorenmeisterschaft im Segelflug in Aalen teil und belegte einen sensationellen 3. Platz und erhielt die Bronze-Trophäe. Hiermit sichert er sich seinen Platz in der Junioren Nationalmannschaft, zu der er seit dem 01.01.2022 zählt und kann im kommenden Jahr an der Segelflug-Weltmeisterschaft in Polen teilnehmen und Deutschland repräsentieren.
Wir haben Jan zu diesem tollen Erfolg befragt:
Jan, wie kam es dazu, dass du bei der Deutschen Meisterschaft mitfliegen konntest?
Jan Schulz (JS):
Ich habe mich im vergangenen Jahr für die Teilnahme qualifizieren können.
Dabei muss man wissen, dass man als ambitionierter Segelflieger nicht einfach so bei einer Deutschen Meisterschaft im Segelflug teilnehmen kann. Die Deutschen Meisterschaften finden nur alle zwei Jahre statt. Im jeweiligen Vorjahr muss man sich für die Teilnahme qualifizieren. Für die Qualifikation gibt es nur vier Qualifikations-Wettkämpfe pro Jahr.
Man muss sich vorher aussuchen, wann und wo man teilnehmen möchte, schwieriger ist jedoch, dass man sich vorher entscheiden muss, auf welcher der Meisterschaften man auch gewinnen möchte. Es kann also sein, dass man auf einer Meisterschaft gewinnt, sich aber nicht qualifiziert, weil man eventuell eine andere Meisterschaft als seine persönliche Qualifikations-Meisterschaft ausgesucht hatte. Im letzten Jahr hat dies für mich besonders gut geklappt. Ich nahm an zwei Qualifikationswettkämpfen mit unterschiedlichen Flugzeugklassen teil und belegte in beiden Wettkämpfen die dazu nötigen Podestplätze. In Landau gewann ich den zweiten Platz mit einem Flugzeug der Clubklasse und in Brandenburg sogar den ersten Platz mit einem Flugzeug der Standardklasse.
Erkläre mal für Aussenstehende – Was sind das für verschiedene Klassen?
JS: Vergleichbar sind diese Flugzeuge mit den Leistungen von Autos. Clubklasse entspricht einem Kleinwagen und Standardklasse sind mit Autos der Kompaktklasse. Da die Deutsche Meisterschaft der Junioren in beiden Klassen aber zeitgleich stattfand, musste ich mich für eine Klasse entscheiden und wählte hier die Standardklasse aus.
Wie kann man sich eine solche Meisterschaft überhaupt vorstellen?
JS: Für einen Startplatz in der jeweiligen Klasse qualifizieren sich rund 40 Teilnehmer. Die Segelflugzeuge müssen jeweils durch eine technische Kontrolle. Hier werden die Flugzeugpapiere kontrolliert und die Technik überprüft. Am wichtigsten ist die Gewichtskontrolle. Jedes Flugzeug wird samt Pilot in der Wettkampfausführung gewogen, damit die Flugzeuge miteinander vergleichbar sind. Bei den Flugleistungen gibt es bauartbedingte Unterschiede, manch ein Flugzeugtyp fliegt besser als ein anderer. Dies schlägt sich dann im sogenannten Index nieder. Der Pilot muss also bei einem höheren Index schneller fliegen, damit sein Vorteil wieder ausgeglichen wird.
Und dann fliegen diese Piloten mit ihren Flugzeugen gegeneinander?
JS: Der Wettbewerb geht über mehrere Tage. Jeden Morgen gibt es ein Briefing aller Teilnehmer, bei dem das aktuelle Wettergeschehen und die jeweilige Flug-Aufgabe an die Teilnehmer ausgegeben werden. Die Aufgaben sehen unterschiedlich aus, entweder gibt es eine sogenannte Racing Task – hier muss man eine genau festgelegte Strecke in der kürzesten Zeit zurück legen – oder eine Assigned Area Task (AAT). Bei der Area Task muss man in einer bestimmten Zeit die größtmögliche Strecke um vorher festgelegte Wendepunkte fliegen. Das Segelflugzeug wird von einer Motormaschine auf eine bestimmte Höhe geschleppt und muss die vorgegebene Aufgabe dann nur mit Hilfe von Thermik, das ist warme aufsteigende Luft, absolviert werden.
Jeden Tag gibt es eine Tageswertung, man versucht, so viele Punkte wie möglich zu erreichen, denn zum Schluss zählt die Gesamtpunktzahl.
Was waren das denn für Strecken, die ihr da geflogen seid?
JS: Wir sind von Aalen aus Strecken zwischen 250 km bis 650 km pro Tag geflogen, über die Schwäbische Alb, in Richtung Bayerischer Wald oder Thüringer Wald, oder auch mal nach Norden in Richtung Würzburg, Hammelburg oder Wasserkuppe. Schwierig ist es, da auf alles zu achten. So richtig grenzenlos ist der Himmel ja nun leider doch nicht. Da gibt es Lufträume, in die man nicht hineinfliegen darf, und es stehen keine Schilder: „Hier entlang geht es zur zweiten Wende“. Man muss die Abflughöhe und die Geschwindigkeit genau einhalten, sonst gibt es Punktabzug. Unterwegs muss man dann die beste Streckenführung wählen und fortlaufend entscheiden, ob man lieber an einer Position „Höhe tankt“ oder weiterfliegt, in der Hoffnung, dass es an anderer Position wieder Thermik gibt.
Du scheinst da ja viele richtige Entscheidungen getroffen zu haben?
JS: Wir hatten in diesem Jahr besonderes Glück, auch mit dem Wetter. Es gab 11 Wertungstage, an einem Tag war Ruhetag und an einem anderen Tag wurde neutralisiert, weil ein Gewitter über Aalen stand. Aber ansonsten habe ich an jedem einzelnen Tag konstant gute Leistungen gebracht, was mir zum Schluss die drittbeste Punktzahl einbrachte.
Ist die Teilnahme an so einer Meisterschaft kostenlos? Bekommst du hierfür eine Unterstützung?
JS: Nein, leider nicht. Wir müssen eine Anmeldegebühr in Höhe von 300 € bezahlen, dazu kommen dann noch die Flugzeugschlepps mit 60 € pro Schlepp und Campinggebühren sowie Kosten für Anreise, Essen und Trinken. Im vergangenen Jahr habe ich über die Raiffeisenbank Westallgäu ein Sponsoring bekommen, was mir sehr geholfen hat. Außerdem habe ich mit der Firma Harter in Stiefenhofen einen tollen Arbeitgeber, welcher mich mit einer flexiblen Arbeitszeiteinteilung unterstützt.
Was sind denn deine nächsten Ziele?
JS: Wäre ich vor einigen Tagen gefragt worden, wäre meine Antwort wohl gewesen: „Ich will meine erste 1.000 km Strecke ohne Motor in Europa fliegen. In Afrika ist mir dies bereits gelungen, aber hier ist es schwieriger.“ Am 14.06.2023 ist mir dies jedoch gelungen und ich habe meinen ersten Tausender mit einer Strecke von 1063 km geflogen, worüber ich mich sehr gefreut habe und was ich natürlich gerne wiederholen möchte. Ende des Monats gehe ich noch einmal auf einen Qualifikationswettbewerb für die Deutsche Meisterschaft der Senioren im nächsten Jahr. Hier möchte ich auch auf dem Treppchen landen, damit ich einen Startplatz 2024 bekomme.
Die Luftsportgruppe Isny gratuliert ganz herzlich und wünscht weiterhin viel Erfolg.